RMC Mittelbaden e.V. Nr. 72 WIR Das findet auch Herbert Müller. Er und seine Frau Doris fahren die 60 Kilometer aus Edenkoben öfter nach Muggensturm. „Manchmal bleiben wir gleich für ein paar Tage hier“, sagt er. Auf dem Stellplatz in Rastatt seien sie auch schon einmal für eine Nacht gestanden. Doris Müller sagt: „Aber das war nicht schön.“ Der Stellplatz neben dem dauerhaft geschlossenen Hallenbad Alohra steht schon länger in der Kritik. Jüngst rügte der Reisemobilclub Mittelbaden in seiner Mitgliederzeitschrift den Zustand. Auch im Internet und in Wohnmobil-Apps finden sich negative Rezensionen. Bei Google schreibt eine Nutzerin: „Wir wären gerne eine Nacht geblieben aber so einen ungepflegten Platz haben wir noch nie vorgefunden.“ Bei Google Maps ist die Anlage darüber hinaus nach wie vor als „dauerhaft geschlossen“ ausgewiesen. Die Info ist überholt. Mitte 2020 hatten die Stadtwerke den Stellplatz zwar in aller Stille aufgegeben. Nach Kritik an dieser Entscheidung folgte im August 2022 aber die Wiedereröffnung. Die Falschinformation im Netz und die Kritiken scheinen abschreckende Wirkung zu haben. Donnerstagnachmittag, Freitagnachmittag, Freitagabend, Samstagmittag: Trotz Ferienzeit und bestem Wetter bleibt der Stellplatz bei mehreren Besuchen dieser Redaktion verwaist. In Muggensturm zeigt sich ein ganz anderes Bild. In der Nacht zu Samstag stehen sechs Wohnmobile auf dem Platz. Bei Google kommt er auf eine Durchschnittsbewertung von 4,2 von fünf Sternen. Viele Nutzer vergeben die Höchstwertung. Mancher verteilt Abzüge wegen des Geräuschpegels der nahe gelegenen Bahntrasse oder dem fehlenden Stromanschluss. Tanja und Viktor stört das überhaupt nicht. Für Strom sorgen Solarzellen auf dem Dach ihres Campers. „Wir wollen einfach in der Natur sein“, sagt Tanja. Dafür sei der Platz ideal. Auf den Standort gestoßen sind sie in einer App. Die Anfahrt war nicht weit. Das Paar mit zwei Kindern kommt aus Karlsruhe. Sie sind Camper-Profis. Zuletzt waren sie mehr als ein Jahr lang in ganz Europa unterwegs. Zurückgekommen sind sie erst vor einer Woche. Nach wenigen Tagen in festen Wänden hatten sie schon wieder Sehnsucht nach dem Wohnmobil-Leben. „Wir haben das gleich wieder vermisst“, sagt Viktor. Information über Freizeitangebote Beat Herzog kann das nachvollziehen. Seitdem der 65-Jährige im Ruhestand ist, kann er sich ausgedehnte Touren erlauben. Die Rundreise in Schweden soll fünf Wochen dauern. Doris und Herbert Müller sind nach eigener Aussage sogar acht bis zehn Monate im Jahr unterwegs. Davon profitiert die Wirtschaft in den Ortschaften der Stellplätze. Die Gemeinde Muggensturm hat am Stellplatz eine Tafel mit einem Ortsplan aufgestellt, der die Besucher auch über alle Freizeiteinrichtungen informiert. Herzog und seine Familie wollen etwas essen. „Wo ist der nächste Bäcker?“, fragt er und blickt sich um. Auch die Stadt Rastatt ist sich dem touristischen Potenzial der Wohnmobilisten bewusst. Es ist bereits beschlossene Sache, dass der ohnehin meist verwaiste Alohra-Platz ein Auslaufmodell ist. An der Schließbrücke soll ein neuer Wohnmobilhafen entstehen. Geplant sind laut dem städtischen Wirtschaftsförderer Torsten von Appen mindestens zehn Plätze. Doch bis zur Umsetzung dauere es noch. Frühestens im nächsten Jahr könne man das Thema angehen, sagt er. In Muggensturm fährt derweil schon das nächste Wohnmobil vor. Dem Kennzeichen nach kommt es aus Germersheim. Herbert Müller hebt die Hand zum Gruß. Für ihn und Doris war Muggensturm heute ausnahmsweise nur die zweite Wahl. Zuerst haben sie es in Maulbronn probiert. Aber der Stellplatz dort war voll. 25
RkJQdWJsaXNoZXIy NTkxNDc=