RMC Mittelbaden e.V.
Nr. 55
grobem Kopfstein gepflastere Gassen steil ins Städtchen hinauf zu keuchen, um eine
halbe Stunde später wieder zum wenigsten kostenlosen Parkplatz hinunter zu stolpern,
begeht keine große Unterlassungssünde. Wir hatten eher den Eindruck, dass der Autor
des Reiseführers dem fast ausgestorbenen Dorf (gut die Hälfte der Häuser steht leer)
wieder etwas Leben einhauchen wollte. Ein ehrenwerter Versuch, aber ob das auch im
Sinne des Lesers ist?
Finis Terrae - schon die alten Römer
wussten, was sie von dieser Ecke der
Bretagne zu halten hatten. Für sie
war dieses Land einfach das „Ende
der
Welt“.
Im
Namen
des
Departements Finistère ist der Begriff
bis heute erhalten geblieben. Nur an
wenigen anderen Orten Frankreichs
hat man mehr das Gefühl, am Ende
aller Zivilisation gelandet zu sein, wie
an der Pointe du Raz. Mit Urgewalt
brandet das Meer gischtsprühend an
die bis zu 70 Meter hoch aufragen-
den Steilklippen - das absolute
Kontrastprogramm zum nur eine gute
Fahrstunde entfernten Strandparadies
von Loctudy. Da der Rummel an der
Pointe du Raz aber ziemlich groß und
der Stellplatz vergleichsweise teuer
ist, stellen wir unser rollendes Zuhause über Nacht neben einigen anderen
Reisemobilen (erlaubterweise) am eher einsamen und kostenlosen Parkplatz bei der in
Sichtweite gelegenen Pointe du Van auf. Hier startet auch eine
schöne Wanderung durch die blühende Heidelandschaft mit
atemberaubenden Aussichten auf die zerklüftete, wilde Küste und
das tosende Meer in der Tiefe. Lust auf ein paar Minuten der
Besinnung? In der am Rundweg gelegenen, kleinen Kirche
Kapelle Saint-They findet der Reisende die nötige Ruhe.
Deutlich gewaltiger dokumentiert sich die bretonische Volksfrömmigkeit allerdings in
den sogenannten „umfriedeten Pfarrbezirken“
(französisch: Enclos Paroissiaux) wie einer zum
Beispiel in der kleinen Gemeinde St-Thégonnec
bei Morlaix zu finden ist. Hier betritt man den
Bereich um die Kirche durch eine mächtige, in
Stein gehauene Triumphpforte. Zum steinernen
Ensemble gehören neben dem Gotteshaus auch
ein Gebeinhaus und ein Kalvarienberg mit
kunstvollen Steinfiguren (Foto). Der staunende
Besucher fragt sich natürlich, wie überschaubare
Orte in der Größe von St-Thégonnec sich das
alles leisten konnten. Die Antwort ist einfach: Durch Tuchhandel und anderen
Warenaustausch übers Meer waren diese Gemeinden im 16. Und 17. Jahrhundert sehr
reich geworden, und man scheute sich nicht, diesen Wohlstand auch nach außen hin
zu zeigen.
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